Branche
FS Logoi

Fachbeitrag des Monats: Vakuum für die Luft- und Raumfahrtforschung

Einmal im Monat veröffentlicht das Fachportal „IAD – Industriearmaturen & Dichtungstechnik“ einen exklusiven Fachartikel aus dem aktuellen Heft. Diesen Monat geht es in dem Beitrag um die neueste Vakuum-Technik für die Luft- und Raumfahrtforschung.

von | 17.04.25

Dieses Modell des Raumgleiters X-38 wurde im Auftrag von ESA und NASA im RWG untersucht.
Quelle: DLR
Fachbeitrag des Monats: Vakuum für die Luft- und Raumfahrtforschung

Zwei über 80 Meter lange Speicherrohre verlaufen über eine Freifläche neben dem Gebäude und führen von dort durch die massive Außenwand nach innen: Schon beim Betreten des Geländes rund um das Institut für Aerodynamik und Strömungs­technik am DLR in Göttingen wird die Dimension der Forschungs­anlage deutlich. Im Innenbereich steht ein riesiger Vakuum-Kessel mit einem Volumen von 50 m³, der mit den Rohren verbunden ist. Dort werden in detaillierten und grundlagenorientierten Stu­dien die strömungsmechanischen Phänomene erforscht, die maßgeblich für eine adäquate Vorhersage der Leistungsfähig­keit von Überschallfluggeräten verantwortlich sind.

Wie können die Luft- und Raumfahrzeuge von morgen umweltverträglicher, sicherer und effizienter werden? Und wie kann man das Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit möglichst präzise am Rechner simulieren, um die neuen Konfigurationen bereits im Entwurf­prozess zu bewerten? Zu diesen und vielen anderen Fragen möchten die Wissenschaftler mit dem Rohrwindkanal Antworten liefern. Unverzichtbarer Bestandteil dieser Forschungsprojekte ist die Vakuum-Technik von Busch.

Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen werden strömungsmechanische Phänomene erforscht, die maßgeblich für eine adäquate Vorhersage der Leistungsfähigkeit von Überschallfluggeräten verantwortlich sind. (Quelle: DLR)

Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen werden strömungsmechanische Phänomene erforscht, die maßgeblich für eine adäquate Vorhersage der Leistungsfähigkeit von Überschallfluggeräten verantwortlich sind. (Quelle: DLR)

Der Startschuss für die Großforschungsanlage fiel in den 1950er-Jahren. Der Göttinger Physiker und Strömungsforscher Prof. Dr. Hubert Ludwieg entwickelte ein damals revolutionäres Antriebssystem für intermittierend arbeitende Hochgeschwin­digkeitswindkanäle, das Untersuchungen mit Überschall- und Hyperschallströmungen ermöglichte. Er selbst nannte dieses Prinzip Rohrwindkanal – bis heute ist es in aller Welt auch als „Ludwieg-Tube“ bekannt. 1968 ging dann mit dem Rohrwindka­nal Göttingen (RWG) die weltweit erste dieser aerodynamischen Großforschungsanlagen in Betrieb und ist beim DLR bis heute im Einsatz.

Experimente in Überschallgeschwindigkeit

Das Funktionsprinzip des Rohrwindkanals nutzt die Wechselwir­kung von Über- und Unterdruck: Die Speicherrohre dienen als Druckbehälter, in denen die Luft komprimiert wird. Zur Verhinde­rung von Luftkondensation in der Überschalldüse, die aufgrund starker Expansion und der damit verbundenen Abkühlung der Luft entsteht, müssen die Speicherrohre zur Simulation hoher Überschallgeschwindigkeiten zusätzlich beheizt werden.

Die Speicherrohre sind über einen Schnellschieber mit der Überschalldüse verbunden, an deren Ende sich die Messstrecke befindet. In dieser werden die Experimente durchgeführt. Am Ende der Messstrecke befindet sich wiederum der Vakuumkessel, an dem die Vakuumpumpe angeschlossen ist. Mit einem Vaku­umschieber zwischen der Messstrecke und dem Vakuumkessel wird nach Bedarf ein Zugang zur Messstrecke ermöglicht. Der Vakuumkessel wird mithilfe der Vakuumpumpe evakuiert. Im Einsatz ist hierfür eine COBRA NX Schrauben-Vakuumpumpe von Busch Vacuum Solutions. Sie erzeugt im Vakuumkessel einen Unterdruck von circa 10 bis 40 mbar, während in den Speicher­rohren ein Überdruck von circa 2 bis 40 bar herrscht.

Aufbau des Rohrwindkanals Göttingen

Aufbau des Rohrwindkanals Göttingen (Quelle: DLR)

Zur Durchführung eines Versuchs wird das Testmodell mithilfe einer verschiebbaren Modellhalterung in der Messstrecke plat­ziert. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Modelle von Flug­geräten, Sensoren oder Materialproben. Mit dem Öffnen des Schnellschiebers entsteht eine laufende Verdünnungswelle, die in das Speicherrohr hineinläuft und die Speicherluft in Richtung der Düse beschleunigt. Durch die Druckdifferenz zwischen dem Speicherrohr und dem Vakuumkessel sowie dank der speziell geformten Überschalldüse stellt sich in der Messstrecke des RWG eine sogenannte Überschallströmung ein.

Dabei können Geschwindigkeiten von bis zu Mach 7 erreicht werden – das ent­spricht dem Siebenfachen der Schallgeschwindigkeit. Im RWG werden Messzeiten bis zu 350-400 Millisekunden realisiert. Das ist ein Spitzenwert für Windkanäle dieses Typs und bietet den Forschern ausreichend Zeit, die Strömung um die Testmodelle zu untersuchen. In dieser Zeitspanne können statistisch rele­vante Daten- oder Bildsequenzen aufgenommen werden, die eine zuverlässige Mittelung und Analyse der Daten ermöglichen.

Effizientere Versuche dank Vakuum

Nicht nur für das Beschleunigen, sondern auch für das Abbrem­sen der großen Strömungsgeschwindigkeit ist Vakuum-Technik wichtig. Die Luft aus dem Speicherrohr wird während des Ver­suchs im Vakuumkessel aufgefangen und anschließend als nor­male Umgebungsluft nach außen geführt.

Dr. Erich Schülein, Gruppenleiter und wissenschaftlicher Betreuer des RWG am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, erklärt: „Dank der eingesetzten Vakuum-Technik können wir die Versuche viel effizienter durchführen. Ohne sie müssten wir nicht nur den Ladedruck im Speicherrohr, sondern auch die Anforderungen an die Stabilität der gesamten Anlage sowie der Versuchstechnik deutlich erhöhen, um das erforderliche Druckverhältnis in der Überschalldüse überhaupt erreichen zu können. Der technische Aufwand hierfür wäre enorm. Diese Arbeit nimmt uns die Vaku­umpumpe ab. Durch die kombinierte Anwendung von Druck-und Vakuumspeicher lassen sich das Druckniveau und damit die Reynoldszahl in der Strömung leicht verändern.“

Seit 1968 ist der Rohrwindkanal in Göttingen im Einsatz und mit ihm von Anfang an auch eine alte Drehschieber-Vakuum­pumpe. Im Jahr 2021 wurde es höchste Zeit, diese zu ersetzen. Im Rahmen einer Ausschreibung konnte Busch den Auftrag für sich entscheiden. Die Experten des Unternehmens unterstütz­ten anschließend mit ihrem Know-how und ihrer Expertise bei der Auswahl und Auslegung des Systems, um eine geeignete Lösung zu finden. Diese war mit der trockenen COBRA NX schnell gefunden.

Aufnahme eines Testmodells in der Messstrecke des RWG

Aufnahme eines Testmodells in der Messstrecke des RWG (Quelle: DLR)

Karsten Pfeiffer, technischer Leiter des RWG, erklärt: „Für uns ist es entscheidend, dass die eingesetzte Vakuumpumpe zuverlässig arbeitet, denn die im Rohrwindkanal erzeugte Strömung muss sauber sein. Die Versuche werden oft mehrfach durchgeführt und dabei ist es wichtig, dass die Bedingungen jederzeit reproduzier­bar sind – deswegen darf nichts die Strömung stören.“

Auch die Leistungsfähigkeit der COBRA überzeugte. Im Vergleich zu der vorher eingesetzten Drehschieberpumpe evakuiert die Schrau­ben-Vakuumpumpe von Busch den Vakuumkessel doppelt so schnell. Statt einer halben Stunde werden die meist benötigten 50 mbar im Kessel nun bereits nach 15 Minuten erreicht. Diese kürzeren Laufzeiten wirken sich sehr positiv auf den Energiever­brauch der Anlage aus. Zudem passt ein Frequenzumrichter die Drehzahl der Pumpe an die benötigten Druckverhältnisse an.

Auch die Mitarbeiter des Instituts freuen sich über die neue Vaku­umlösung, denn früher konnten sie die direkt über der Anlage liegenden Arbeitsräume während der Versuche aufgrund der großen Lautstärke und der Vibrationen der alten Pumpe nicht nutzen. Mit der COBRA ist das nun kein Problem mehr, denn sie arbeitet sehr leise und vibrationsarm.

„Außer einem leichten Summen hört man nichts“, lacht Pfeiffer. Ein weiterer großer Vor­teil liegt im ölfreien Betrieb. „Früher musste ich selbst regelmäßig Hand anlegen und Öl wechseln – und anschließend oft auch meine dadurch verschmutzte Kleidung. Das ist nun nicht mehr notwendig. Um die Wartung kümmert sich ein Servicetechniker von Busch im Rahmen eines Wartungsvertrages. Ich muss die Pumpe nur noch anschalten, und sie läuft“, freut sich Pfeiffer.

Dabei ist vor allem die Kundennähe von Busch ein entschei­dender Vorteil. Dank des engmaschigen Servicenetzes ist der lokale Ansprechpartner bei Bedarf binnen kürzester Zeit vor Ort.

Sauberes Vakuum für technischen Fort­schritt

Die zuverlässige Vakuumlösung von Busch trägt wesentlich zum Erfolg der Experimente im RWG bei und fördert den technischen Fortschritt. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung stellt das DLR den Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie zur Ver­fügung, um Technologien für aktuelle und zukünftige Missionen zu entwickeln sowie zu verfeinern. Die Göttinger Wissenschaftler arbeiten außerdem eng mit internationalen Organisationen wie der NASA, ESA und den anderen Standorten des DLR bei globa­len Forschungsprojekten zusammen. So wurde in der Vergan­genheit im Rohrwindkanal Göttingen beispielsweise im Auftrag der NASA und ESA ein Modell des Raumgleiters X-38 getestet, der als Crew Return Vehicle (CRV) dazu gedacht war, Astronauten der ISS bei einem Notfall zurück zur Erde bringen zu können. Ein solcher Raumgleiter muss beim Eintritt in die Erdatmosphäre enormer Hitze und mechanischen Lasten standhalten. Diese Bedingungen wurden im Rohrwindkanal so weit wie möglich nachgestellt.

Die COBRA NX Schrauben-Vakuumpumpe sorgt für zuverlässige und effiziente Versuchsbedingungen.

Die COBRA NX Schrauben-Vakuumpumpe sorgt für zuverlässige und effiziente Versuchsbedingungen. (Quelle: Busch Vacuum Solutions)

„Trotz enormer Fortschritte in der numerischen Strömungsme­chanik lassen sich viele Phänomene in turbulenten Strömungen immer noch nicht adäquat und präzise vorhersagen. In unseren Studien schaffen wir eine wichtige Validierungsdatenbasis, die zur Verbesserung existierender Modelle und zur Entwicklung neuer numerischer Berechnungsverfahren beiträgt. Darin sehen wir die eigentliche Aufgabe dieser Forschungsanlage“, sagt Schülein. Die Vakuum-Technik von Busch ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Autor: Sandra Höck

Head of Communications Busch Group

Busch Vacuum Solutions

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Jetzt Newsletter abonnieren

Die wichtigsten Branchen-News, regelmäßig in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

PRIMUS Award IAD

PRIMUS Award 2025

Bewerben Sie sich für den Titel „Produkt des Jahres“

Hier anmelden

Digitale Nachrüstung für Ventilantriebe mit IO-Link
Digitale Nachrüstung für Ventilantriebe mit IO-Link

Moderne Industrieprozesse erfordern eine präzise, zuverlässige Regelung und eine zukunftsfähige digitale Kommunikation. Bürkert bietet eine neue Möglichkeit, bestehende Industrieanlagen mit elektropneumatischen Stellungs- und Prozessreglern digital aufzurüsten.

mehr lesen
Neue Generation des Multamed-Absperrschiebers vorgestellt
Neue Generation des Multamed-Absperrschiebers vorgestellt

Der Armaturenhersteller Erhard hat eine überarbeitete Version seines seit den 1970er Jahren bewährten Absperrschiebers Multamed entwickelt. Die neue Generation zeichnet sich durch ein modernisiertes Design sowie optimierte Materialeigenschaften aus und ist auf den sicheren und langlebigen Einsatz in der Trinkwasserversorgung ausgelegt.

mehr lesen
Zahl der Woche: 1.052 Meter
Zahl der Woche: 1.052 Meter

Jeden Montag blickt industriearmaturen.de auf eine markante Zahl, die in der vergangenen Woche besonders aufgefallen ist. In dieser Woche steht die Zahl im Zusammenhang mit der Entdeckung von weißem Wasserstoff in den USA.

mehr lesen

Sie möchten unser Fachmagazin „Industriearmaturen & Dichtungstechnik“ unverbindlich testen?

Bestellen Sie Ihr kostenloses Probeheft

Überzeugen Sie sich selbst: Gerne senden wir Ihnen „Industriearmaturen & Dichtungstechnik“ kostenlos und unverbindlich zur Probe!

IAD 02 2023